Wenn der Schwerpunkt der Behandlung auf der Schmerzerfahrung liegt und nicht nur darauf, die Ursache des Schmerzes zu finden, werden die potenziellen Vorteile für Patienten, die das Verständnis und eine bessere Lebensqualität suchen, erweitert.

Als Kliniker und Mensch bin ich zu dem Vertrauen gekommen, dass Körper und Geist untrennbar miteinander verbunden sind, innerlich mit unserem Selbstgefühl und äußerlich mit unserer Umgebung. Menschen, die im Leben gedeihen, leben auf einem Niveau, das über „nur überleben“ hinausgeht. Patienten erleben ihre Beschwerden sehr oft als Bedrohung in ihrem Leben. Sie präsentieren sich mit dem Wissen, dass etwas nicht richtig ist, und sehr oft dominiert sie der Schmerz. Die „Embodied Predictive Processing“ (EPP)-Schmerztheorie bietet eine neue Sichtweise. Darin eingebettet ist die Fähigkeit, als Kliniker die Geschichte des Patienten zu sehen und zu hören für einen Weg, der offen ist für alle Überlegungen, einschließlich Emotionen, Kognitionen, Wahrnehmungen und Handlungen, und offen ist für gemeinsame Lernwege.

Heute wird angenommen, dass das Gehirn Vorhersagen über seine Erfahrungen macht und auswertet. Es ermittelt die Wahrscheinlichkeit eines kommenden Ereignisses auf Basis vorheriger Erfahrungen. Wissenschaftler vermuten, dass die Emotionen hilfreiche Zustände sind, die das Gehirn erzeugt, um Vorhersagefehler über interne Signale wie Körpertemperatur, Herzfrequenz oder Blutdruck zu minimieren. Bei emotionaler Aufregung etwa weiß das Gehirn sofort, dass sich all diese physiologischen Faktoren ändern. So entsteht womöglich auch das Konzept des „Selbst. Je weniger Vorhersagefehler bzw. „falsche“ Erwartungen vom Gehirn „vorausberechnet“ werden (s. „Predictive Processing“) umso besser gelingt die Selbstregulation bzw. Homöostase beim Patienten.

Diese Schmerztheorie ermutigt Kliniker aller Berufe, darüber nachzudenken, wie Konzepte der Selbstregulation, Selbstorganisation und des Selbstmanagements es einem Patienten ermöglichen können, sich an „Resourcen-Strategien“ zu beteiligen. Ein solcher Ansatz könnte in Form einer absichtlichen Auseinandersetzung des Patienten mit nicht schädlichen Stimuli zur Genesung bestehen. Es werden dabei neue Aktionszustände stimuliert, um den sensorischen Anforderungen der Aktivität gerecht zu werden. Dadurch können beim Patienten neue Überzeugungen in der Schmerzerfahrung antrainiert werden, die die Wahrnehmung des Schmerzes verändern können.