Das Einsamkeitsgefühl kann krank machen und sich in verschiedene Gewänder kleiden. Es versteckt sich hinter der Geschäftigkeit des Alltags, hinter Suchtverhalten beim Essen, Arbeiten, Trinken, Rauchen, Fernsehen. Sie versteckt sich hinter der Zweisamkeit in einer Paarbeziehung, die keinen Raum lässt für andere Freunde, hinter der Geselligkeit in Netzwerken, die keinen Raum für Nähe mit Einzelnen lässt. Sagen Sie deshalb nicht zu rasch: Ich bin nicht einsam.

Einsamkeit ist ein komplexes Phänomen unserer Zeit und Gesellschaft, dass fast alle betrifft. Dass wir heute so viel über Einsamkeit wissen, haben wir besonders John T. Cacioppo zu verdanken. Er war Professor für soziale Neuro-wissenschaften an der University of Chicago. Er hat gemeinsam mit anderen Forschenden beeindruckende Erkenntnisse zu den Mechanismen und Auswirkungen von Einsamkeit gefunden. Er unterteilt Einsamkeit in 3 Dimensionen, die sich in Kreisen um uns herum anordnen. Intime Einsamkeit im inneren Kreis, Freundschaftseinsamkeit im mittleren Kreis und kollektive Einsamkeit im äußeren Kreis.

Man könnte sagen, am besten wäre es, wir würden in keiner dieser Einsamkeitsdimensionen dauerhaft Einsamkeit empfinden. Ich finde das schwierig. Wer weiß, was in Ihrem persönlichen Leben möglich und sinnvoll ist? Vielleicht ist Ihnen der Preis zu hoch, um die kollektive Einsamkeit zu beenden, weil Sie sich in Gruppen schnell überfordert und bevormundet fühlen? Introvertierten geht das öfter so: Sie haben gute einzelne Freunde, aber keine größere Gemeinschaft, weil ihnen das zu anstrengend wäre. Oder Sie nehmen die intime Einsamkeit in Kauf, weil Ihnen Ihre Unabhängigkeit über alles geht und
die bisherigen Partnerschaften bald wieder auseinander gegangen sind? In jedem Fall können Sie überlegen, in welchen Bereichen Sie Einsamkeit erleben, um sich dann zu fragen, ob es gut für Sie wäre, daran etwas zu verändern. Welche Art von Kontaktvermissen Sie? Was fehlt Ihnen? Wohin und zu wem zieht es Sie? Wo bieten sich bisher ungenutzte Kontaktmöglichkeiten?

Die Ergebnisse des Psychologieprofessers Matthew Lieberman zeigen, wie weitreichend unser Gehirn ein soziales Gehirn ist. Er folgert daraus, dass es evolutionär das Beste für unser Gehirn ist, ständig sozial zu lernen, indem wir die letzte Begegnung verarbeiten, uns auf die nächste vorbereiten und uns so darin üben, die Gedanken und Gefühle anderer Menschen zu lesen und ihre Motivationen zu erkennen. Wir entwickeln immerzu unsere hoch entwickelten sozialen Fähigkeiten weiter, um sozial kompetent zu bleiben und es noch mehr zu werden. Dadurch können wir unser soziales Netz vielfältig und passend gestalten und uns angemessen und kooperativ verhalten.